Als ich die Terrassentür öffne, höre ich es schon: Ein lautes Brausen, der Himmel über mir ist voller Bienen! Marlenes Volk schwärmt! Jetzt heißt es, beobachten, wo sie sich niederlassen. Marlene ist traurig, weil sich ihr Volk jetzt verkleinert. Doch das Schwärmen ist die natürliche Vermehrung von Bienenvölkern. Ihr Restvolk wird einen starken Bau- und Bruttrieb entwickeln und in vier Wochen wieder sehr stark sein.
Fichte oder Zypresse - es scheinen sich zwei Schwarmtrauben zu bilden - die Zypresse gewinnt. Nach zwei Stunden ist klar, die Schwarmtraube sitzt in ca. 6 m Höhe. Das ist leider zu hoch für uns, wir haben keine Möglichkeit, sie herunterzuholen. Ich habe noch einen Termin und kann eines der Kinder überzeugen, als "Schwarmwache" im Garten zu bleiben, um zu beobachten, ob die Bienen weiterziehen. Doch bis zum Abend verraten einzelne Bienen oberhalb der Zypresse, dass der Schwarm dort noch sitzt.
Am nächsten Tag gegen 12.30 Uhr höre ich durch das geöffnete Zimmerfenster erneut das vertraute Brausen. Zunächst sieht es so aus, als senke sich der Schwarm in unseren Garten, dann aber gewinnen die Bienen doch an Höhe und fliegen über den Nachbargarten davon. Schnell aufs Rad und die Verfolgung aufnehmen.
Bald haben Marlene und ich den Schwarm lokalisiert. Er hat sich kaum 60 m entfernt an der Terrassentür des Souterrains unserer Nachbarn niedergelassen. Uns fällt ein zitroniger Duft auf - ob die Bienen ihn zur Orientierung verströmen? Vergebens warten wir darauf, dass sich eine Traube bildet - die Bienen scheinen in den Rollladenkasten einzuziehen - ausgerechnet! Längst stehe ich mit meiner Imkerpatin telefonisch in Kontakt. Sie rät, die Rolläden zu bewegen (sind gar keine drin) oder die Bienen vorsichtig von der Öffnung wezufegen, damit sie erneut aufschwärmen. Leider sind wir unvorbereitet zuhause weggefahren, und so müssen wir Imkerschleier und Bienenbesen erst holen. Als wir nach wenigen Minuten zurückkehren, ist es längst zu spät. Mindestens 1/3 des Schwarms ist durch die Mauerfugen verschwunden.
Aber der große Schreck kommt erst noch: Plötzlich sitzen Bienen von INNEN an der Scheibe! Und der Nachbar hat sich nach Dortmund verabschiedet. Zugleich sitze ich auf heißen Kohlen, da der Familienimkerkurs in Münster beginnt und ich dort Interviews führen möchte. Bienen können wirklich Aufruhr in den Alltag bringen!
Glücklicherweise kommt die Tochter der Nachbarn nach Hause und erweist sich als sehr entspannt. Gemeinsam überlegen wir, wie wir an die Bienen herankommen, lösen vergeblich von außen Bretter und Verkleidungen. Es bleibt uns nichts anderes übrig, als von innen ein großes Brett vor dem Rollladenkasten zu öffnen. Dann zeigt sich, unsere Bienen (links im Bild) sind nicht die ersten Bewohner des Kastens - rechts ist altes Wabenwerk zu erkennen.
Ein Metallpapierkorb soll als Schwarmkiste dienen, doch als wir die Verkleidung anheben, um ihn vor die Bienentraube zu legen, löst sich das Brett und reißt die Hälfte der Traube mit, Bienen fliegen auf. Welch ein Chaos! Ich fege die restlichen Bienen in den Korb und setze ihn umgekehrt auf einer Unterlage mit einer kleinen Öffnung auf den Kellerboden. Unsere junge Nachbarin ist noch immer ganz cool, da wir ihr versichert haben, dass die Bienen sich nicht im Haus ausbreiten werden. Schwärmende Bienen haben das Bedürfnis, sich um ihre Königin zu setzen. Hoffentlich haben wir sie erwischt!
Vorerst sitzen die Bienen noch überall: Im Rollladenkasten, an mehreren Trauben am Fenster und ein Teil im Korb. Mittagspause! Bis die sich orientiert haben, können wir etwas essen - ist schließlich schon 14.30 Uhr.
Als meine Imkerpatin eintrifft, bin ich richtig erleichtert. Mit einer bemerkenswerten Ruhe erfasst sie die Situation. Scheinbar haben wir die Königin nicht gefangen, denn die Bienen ziehen aus dem Korb wieder aus. Meine Patin hat einen Ablegerkasten mitgebracht, den sie draußen platziert und die Bienen aus dem Korb dafür ausschüttet. Nach und nach holen wir händeweise (geschützt durch Handschuhe) Bienen nach draußen. Schließlich sieht es so aus, als ob die Bienen in die Kiste einziehen - gegen 15.30 Uhr darf ich mit Marlene nach Münster fahren. Die Terrassentür bleibt einen Spalt offen, damit die Bienen ihren Weg nach draußen finden.
Um 20.30 Uhr treffen wir uns wieder und retten auch noch die letzte Biene aus dem Keller. Meine Imkerpatin nimmt das Volk mit, wird es eine Nacht in der Kellerhaft belassen und am nächsten Tag bei sich einschlagen.
Welch ein Abenteuer!