Kürzlich schwärmte ich - wie so häufig - vor Besuch von unseren Bienen. Dabei zeigte ich auch die Waben, die mein Volk während der Kellerhaft (siehe "Der Schwarm zieht ein") in nur einer Nacht gebaut hatte. „Die sehen ja toll aus! Wie kriegen die Bienen denn die Sechsecke hin?“ Die Antwort auf diese Frage musste ich erst einmal recherchieren und war erstaunt, dass es mindestens zwei Theorien gibt.
Aber zunächst ist zu klären, wo das Wachs herkommt. Eine spannende Geschichte: Bienen schwitzen Wachs aus! Aus spezialisierten Hautzellen auf der Bauchseite des Hinterleibs werden feine weiße Wachsschüppchen herausgeschoben. Diese Wachsdrüsen entwickeln sich bei den Bienen ab dem 10. Lebenstag. Dabei ist die Wachsproduktion bei 13 bis 18 Tage alten Bienen am größten. Das Bienenvolk produziert aber nicht das ganze Jahr über Wachs, sondern es baut nur etwa von Mitte April bis Ende Juni an den Waben, lediglich Schwärme bauen auch später noch. Eine Biene schafft etwa 8 Wachsplättchen pro Tag. Für 1 kg Wachs sind etwa 4 Millionen Wachplättchen notwendig. Wie kostbar! Seitdem ich das weiß, sehe ich auch die Bienenwachskerzen mit neuen Augen.
Die Temperatur arbeiten lassen
Wer schon mal versucht hat, aus freier Hand ein gleichmäßiges Sechseck zu zeichnen, weiß wie schwierig das ist. Sind die Bienen nun mathematische Genies, oder wie kriegen sie das hin?
Theorie I stammt von Professor Jürgen Tautz vom Biozentrum der Uni Würzburg. Er fand 2006 heraus, dass frisch gebaute Zellen zunächst gar nicht sechseckig, sondern rund sind. Man kann es auf dem oberen Foto an den Zellen am Wabenrand so eben erahnen. Erst im weiteren Bau erhalten die Zellen ihre sechseckige Form – und zwar durch Wärme.
Bienen können ihren Körper auf über 40 °C aufheizen und das Wachs erwärmen. Sie kneten es mit ihren Mandibeln durch und vermischen es mit einem Sekret der Oberkieferdrüse. So wird das Wachs geschmeidig und kann zum Bau der Zellen verwendet werden. Durch die Wärme beginnt das Wachs der dünnen Zellwände zu arbeiten und entwickelt durch Zugkräfte quasi selbständig die ideale Form. An der Fließgrenze zwischen zwei Zellen bildet sich eine ebene Schnittfläche. Man kann Ähnliches beim Zusammentreffen zweier gleich großer runder Seifenblasen beobachten. Weil jede Wabenzelle sechs Nachbarn hat, geschieht dieses zu sechs Seiten hin – das Sechseck ist entstanden.
Bauen mit Kiefer und Fühlern
Theorie II erforschten die Wissenschaftler des Bieneninstituts Hohen Neuendorf bei Berlin. Sie stellten fest, dass die Bienen das Wachs zwar erwärmen, aber deutlich unter 40 °C bleiben. Bei dieser Temperatur könne sich das Wachs aber noch nicht selbständig verformen. Die Forscher haben beobachtet, dass die Bienen schon von Anfang an sechseckig bauen und zwar mit Hilfe ihrer Kiefer und Antennen.
Sind die Bienen also doch mathematisch begabte Architekten?
Gleich welche Hypothese nun stimmt, die sechseckigen Wabenzellen sind ein perfektes Wunder: Alle Winkel betragen 120 Grad und die Dicke der Zellwände ist mit 0,07 Millimetern überall nahezu gleich. Das Sechseck ist die optimale Lösung, wenn man mit möglichst wenig Material ein möglichst großes Raumvolumen bauen will. Ausserdem sind die so entstandenen gleichmässigen Wachswände bei geringer Dicke sehr stabil.
Kinderstube und Vorratslager
Gebraucht werden die Zellen als Vorratsbehälter für Honig und Pollen sowie als Kinderstube. Von Einheitsbau allerdings keine Spur: Für die Brut werden Zellen unterschiedlicher Größe angefertigt. Denn der Durchmesser der Zelle bestimmt, ob darin weibliche Bienen, also die Arbeiterinnen oder männliche Bienen, die Drohnen, heranwachsen sollen.
Arbeiterinnen entwickeln sich in Zellen mit einem Durchmesser von 5,2 – 5,4 mm. Als Maß nehmen die Baubienen ihre eigenen Körper. Drohnenzellen sind mit 6,2 – 6,4 mm größer, aber trotzdem regelmäßig gebaut – und werden von der Königin mit unbefruchteten Eiern bestückt. Die Frage ist nur, woher nehmen die Arbeiterinnen das Maß für die Drohnenzellen? Sind Bienen also doch Mathegenies?